Angiographie arteria cerebrale media geschlossen - jetzt bypass setzen?

  • Im Rahmen einer Angiographie wurde bei mir festgestellt, dass die arteria cerebrale media geschlossen ist. Zum Glück kam es zu keinem 3. Schlaganfall. Lt. der Ärzte sollten bereits die benachbarten Arterien und das Gewebe die Blutversorgung der geschlossenen Arterie übernommen haben. Nun wurde mir mitgeteilt, dass man ein Belastungs-CT / Belastungs-MRT machen will, um zu klären, ob auch unter Belastung die Blutversorgung des Gehirns gegeben ist. Wenn nicht, müsste ein Bypass im Gehirn dort gesetzt werden.

    Recherchen im Netz haben für mich ergeben, dass ein Bypass im Gehirn, um Schlaganfälle zu vermeiden, nicht immer Erfolg versprechen und sogar eine Schlaganfallquote mit Bypass höher ist, als wenn mit Medikamenten eingestellt wird. Ich habe panische Angst vor einer Bypass-OP und möchte dies umgehen.


    Was meinen die Experten dazu?

  • Lieber Sven,

    Tatsächlich kann nicht selten ein Verschluss der Arteria cerebri media durch einen funktionierenden Umgehungskreislauf (Kollateralkreislauf) kompensiert werden. Um die Effektivität dieses Kreislaufs zu beurteilen, könnte auch die ungefährliche (atraumatische) „Transkranielle Duplexsonographie“ durchgeführt werden. Wenn dies oder die angesprochenen Belastungsuntersuchungen eine Mangeldurchblutung nachweisen oder ein erneuter Schlaganfall auftritt, ist nach sorgfältiger Abwägung der Risiken eine extra- intrakranielle Bypass-Operation eine Option. Voraussetzung ist natürlich Ihr Einverständnis.


    Mit vielen guten Wünschen


    Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen

  • Sehr geehrter Herr Prof. Dr. von Büdingen,


    vielen Dank für Ihre Nachricht. In der Zwischenzeit liegt mir auch der Arztbericht nach dem Stress-CT mit Dismoxbeigabe vor. Im Bericht heisst es:


    ...

    ln der CT Perfusion Perfusionsverzögerung über der rechten Hemisphäre im Mediastromgebiet mit tendenzieller Progredienz nach Diamoxgabe betont entlang der Grenzzonen. Dieser Befund ist vereinbar mit einer Erschöpfung der Reservekapazität.


    Duplexsonographie der hirnversorgenden Gefäße nach lntervention am 12.01.2023TCD: Rechts keine MCA-Stenose mehr darstellbar, distal flauer Pendelfluss mit Vmax 20 cm/s, linksregelrechtes Flussprofil um Vmax 70 cm/s


    Zur Bestimmung der Reservekapazität erfolgte am xx.xx.2023 ein Diamox-CT, in der sich nach der Gabe von Azetazolamid eine perfusionsverzogeruig entlang der Grenzzone zeigte Herr xy wurde von neurotogischer und neurochirurgische Seite äus über dieMöglichkeit es lC/EC-Bypasses aufgeklärt' Der patient bat um Bedenkzeit ünd werde sich telefonisch befden Kollegen der Neurochirurgie melden. Eine entsprechende Telefonnummer wurde dem Patienten ausgehändigt. Ergänzend wird der Fall des patienten im kommenden neurovaskulären Board besprochen werden.

    ...


    Fragen nun:

    1. Ist dieser Eingriff tatsächlich unumgänglich?

    2. Was passiert, wenn ich den Eingriff nicht ausführen lasse? Erleide ich dann weitere Schlaganfälle oder weitere neurologische Ausfälle? Verschlechtert sich dann mein Gesundheitszustand zusehens?


    Können Sie mir was dazu sagen?


    Vielen lieben Dank.

  • So nun bin ich immer noch nicht schlauer!

    Ich hatte mir vor 2 Tagen in der Uniklinik in Frankfurt eine Zweitmeinung eingeholt, da ich lt. der Uniklinik Mannheim einen ic-ec-Bypass benötige, um die verminderte Durchblutung im Bereich der verschlossenen Arterie cerebrali media zu verbessern (verminderte Reservekapazität). Der ltd. Klinikarzt der Gefässchirurgie hatte sich meine Arztberichte und die bildgebenden Untersuchungsbilder genau angesehen. Da ich keine nennenswerten Einschränkungen und Behinderungen habe, kam er zu dem Schluss, dass ich derzeit kein Bypass-Patient für ihn wäre. Würde ich jedoch wieder einen Schlaganfall erleiden oder neurologische Störungen bekommen, sollte ich die OP machen lassen.

    Heute war ich nochmals in der Uniklinik Mannheim zu Verlaufskontrolle. Es erfolgten keinerlei Untersuchungen an mir. Der ltd. Klinikarzt der Gefässchirurgie wollte mir den Bypass wieder schmackhaft machen, ohne jedwege Nachweise darüber zu führen, dass ich mit einem Bypass keinem Schlaganfall mehr bekommen werde. Alles fundierte nur auf Vermutungen, Abwägungen von Risiken und Studien. Lt ihm würde ein weiterer Schlaganfall während und nach der Bypass-Op bei 5-8% liegen, ein Schlaganfall ohne Bypass jedoch bei 20% innerhalb von 2 Jahren. Er bezeichnete meinen Fall wieder als Grauzone und am Rande der genau auszuwählenden Patienten angesiedelt. Ich hatte den Eindruck, dass er vor den beiden anwesenden jungen Ärzten zeigen wollte, wie man einen unsicheren Patienten zu einem Bypass überredet. Während der Sprechstunde bot er an, nochmals ein Stress-CT mit Diamoxgabe durchführen lassen zu wollen, um zu sehen, ob sich die Reservekapazität / Autoregulation verbessert, unverändert oder verschlechtert habe.

    Letztendlich bin ich nun wieder alleine mit meiner Entscheidung. Gibt es hier im Forum jemanden, der Ähnliches erlebt hat und mir einen Rat geben kann, welche Entscheidung ich treffen sollte?

  • Sehr geehrter Sven,


    wenn ich mit ein paar Fragen beginnen darf, ist es richtig, dass die Zahl 1968 auch Ihr Geburtsjahr darstellt, Sie also 55 Jahre alt sind? Dann lese ich in Ihrer Mail vom 20.01. in dem zitierten Befund aus Mannheim "nach der Intervention am 12.01.". Was ist da gemacht worden bei dieser "Intervention", denn es wird anschließend beschrieben, dass keine MCA Stenose rechts mehr darstellbar war, allerdings noch ein Pendelfluss, was weiterhin für eine behinderte Durchblutung im weiteren Verlauf spricht?

    Unabhängig von diesen Detailfragen einige grundsätzliche Bemerkungen. Die Technik des extra-intracraniellen Bypass wurde Mitte der 80er Jahre durch einen Schweizer Neurochirurgen eingeführt und wir Herz- und Gefäßchirurgen waren oft involviert, um bei der Vorbereitung des Überbrückungsgefäßes zu helfen, bevor dann die Neurochirurgen unter dem Mikroskop den Anschluss an die Hirnarterie anlegten. Nach anfänglicher großer Begeisterung konnten dann eine Reihe von Studien eine Überlegenheit dieser Behandlung über rein medikamentöse Therapien nicht beweisen. Eine spezielle "Cochrane-Analyse", die die besten vergleichenden Untersuchungen heraussucht und zusammenfasst, ergab dann auch folgende Zusammenfassung:

    ... der extra-intracranielle Bypass ... war der rein medikamentösen Therapie (in den verschiedenen Studien) weder über- noch unterlegen. Allerdings schlossen die meisten Studien Patienten ohne Rücksicht auf die genaue Durchblutungsveränderung ein. Es wird empfohlen, an einer laufenden Studie teilzunehmen, die nur Patienten mit eindeutig eingeschränkter Flussbehinderung einschließt, weil diese von einer Bypass-Operation profitieren könnten.

    Diese Beurteilung stammt aus dem Jahr 2010, es folgt dann noch eine größere Studie aus dem Jahr 2011, die sogenannte COSS - Studie, die in etwa diesen Forderungen entsprach und die keinen Unterschied zwischen operativer und rein medikamentöser Behandlung ergab.

    Es gibt aber durchaus auch Veröffentlichungen aus einzelnen Zentren mit positiven Ergebnissen nach einzelnen Operationen bei Patienten mit verminderter Perfusion im Stress-CT oder -MRT unter Diamox.

    Letztlich ist diese Methode aber in der Behandlung von Einengungen der kleinen Hirngefässe kein Standard und die Bedeutung zeigt sich auch daran, dass in den letzten 5 Jahren international nur gerade 3 Veröffentlichungen gedruckt wurden.

    Also, in der Tat kann man keine eindeutige Empfehlung für diese Operation abgeben und es gibt keine wirklich gute Studie, die einen signifikanten Vorteil im Vergleich zu einer medikamentösen Behandlung ergeben hat. Ein Schlaganfall kann weder so noch so ausgeschlossen werden.Allerdings wäre es zu einer endgültigen Beurteilung hilfreich, noch die eingangsgestellte Frage zu der "Intervention" und dem verbleibenden "Pendelfluss" beantwortet zu bekommen.


    Beste Grüße,


    Univ.-Prof. Dr. med. Rainer Moosdorf



  • Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Moosdorf,


    vielen lieben Dank für Ihren sehr ausführlichen Text. Ihre Fragen möchte ich wie folgt beantworten:


    - Ich bin Jahrgang 1968, also derzeit 54 Jahre alt.

    - Am 12.01. wurde eine Angiographie mit Bereitschaft eines Stents gemacht, da man davion ausgegangen war, die hochgradig, kurzstreckige Stenose der ACM (Arteria Cerebri Media) mittels eines Stents wieder zu öffnen bzw. den Durchfluß zu vergrössern. Hierbei zeigte sich die Arteria cerebri media rechts jedoch im M1 Segment verschlossen bei guter Kollateralisation über leptomegialen Arterien, sodass von einer lntervention abgesehen wurde. Ticagrelor wurde anschließend abgesetzt.Zur Bestimmung der Reservekapazität erfolgte am 16.01. ein Diamox-CT, in der sich nach der Gabe

    von Azetazolamid eine Perfusionsverzögerung entlang der Grenzzone zeigte Der Patient wurde von neurologischer und neurochirurgischer Seite über die Möglichkeit des lC/EC-Bypasses aufgeklärt.

    - Während einer Ultraschalluntersuchnung am 03.01. wurden folgenden Flußgeschwindigkeiten in der ACM ermittelt:

    Links: dist 50 cm/s

    mittel 60 cm/s

    prox 65 cm/s

    Rechts: dist 30 cm/s

    mittel 300 cm/s

    prox 70 cm/s

    => hochgradig MCA Stenose rechts


    Nach Zugang der ACM im Zeitraum vom 03.01. bis 12.01. ergaben sich anlässlich eines weiteren Ulatraschalls nach der Angiographie folgende Werte:

    Links: dist 65 cm/s


    Genau die von Ihnen genannten Studien hatte ich nachgelesen.

    prox 70 cm/s

    Rechts: dist 20 cm/s

    Mittel 35 cm/s

    prox 60 cm/s

    => MCA rechts prox 60 cm/s; distal punktueller flauer Fluß


    Genau die von Ihnen genannten Studien hatte ich nachgelesen und auch die Diskusionen über die Ergebnisse dieser Studien zur Kenntnis genommen. Ein studienbasierter, durchschlagender Erfolg dieses Bypass-OP konnte ich nirgends finden.


    Unabhängig davon hatte ich mir noch eine Zweitmeinung der Universitätsklinik Farnkfurt eingeholt. Dort sieht man die Sache etwas differenzierter. DA die Kollateralen die Durchblutung anscheinend in meinem Fall recht gut übernommen haben, ich seit der Occlusion der ACM keine weiteren Schlaganfälle, Einschränkungen etc. erfahren habe, mein alltägliches Leben mit Bewegung, kleinen Sporteinheiten etc. gut bewältigen kann, sieht man mich derzeit nicht als Bypass-Patient. Sollte es hingegen zu erneuten neurologischen Ausfällen kommen, wäre der Bypass die Lösung.


    Im Klinikum Mannheim versuchte man bei der letzten Verlaufskontrolle ohne weitere Untersuchungen an mir, mir wieder die ic-ec-Bypass-OP schmackhaft zu machen. Fachliche Begründungen erhielt ich nur auf Schätzungen und Risikoabwägungen. Das Risiko eines weiteren Schlaganfalls während oder nach der OP wird auf 5-8 % geschätzt; einen Schlaganfall zu bekommen, wenn ich die Bypass-OP nicht machen lassen würde, sieht das Klinikum Mannheim bei 20% innerhalb von 2 Jahren. Alles nur Schätzungen, keine fundierten Zahlen.


    Ich hoffe, dass Sie mit meinen Ausführungen weitere Erkenntnisse zu meinem Fall erhalten haben und würde mich freuen, wenn Sie mir nochmals in Ihrer sehr verständlichen, aber fachlichen Art antworten könnten.


    Viele Grüsse

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