Wie 'offen und ehrlich' seid ihr gegenüber anderen Menschen?

  • Ich hab da mal eine Frage in dieses schöne neue Forum.

    Immer wieder merke ich, dass ich selbst oft sehr unterschiedlich reagiere, wenn ich nach meiner Gesundheit und meinem jetzigen Zustand gefragt werde. Oftmals kommt dann eine Kurzbeschreibung, wie "Ich kann dich sehen, wir können reden und ich kann wieder gehen - alles ist gut!".

    Sehr oft habe ich jedoch gemerkt, mein 'neues' Leben manchmal einfach zu sehr als 'neues Normal' zu betrachten. Mir selbst viel zu viel schöner zu reden, als es so oft noch ist. Geht es euch ähnlich, oder ist euch das völlig fremd?

    Redet ihr offen gegenüber anderen Menschen, was euch Probleme bereitet, oder wo eure neuen Grenzen sind?

    Klar, fremden Menschen gegenüber muss ich mich nicht detailliert erklären. Ich hab sie ja vermutlich eh in 10 Minuten wieder vergessen :D
    Bei denen, die mich jedoch von früher kennen, stutze ich immer etwas und versuche diese o.g. Kurzbeschreibung von mir zu vermeiden. Aber wie und vor allem, wie viel man anderen Menschen sagen sollte, das weiß ich eben leider auch oftmals nicht.

    Habt ihr da Tipps oder gleich anders gefragt: Wie macht ihr denn das so?

    Charlie Brown: „Eines Tages werden wir sterben, Snoopy!"
    Snoopy: „Ja, aber an allen anderen Tagen werden wir leben!"

  • Hallo Majka,

    Charlie Brown gefällt mir :) Er trifft doch den Nagel auf den Kopf, oder?

    Klar, wir müssen mit dieser fiesen Krankheit leben und das -trotzdem! hoffentlich noch lange. Ich habe am Anfang so gut es geht versucht, meine Krankheit zu verstecken. Aber das hat mich so viel Kraft gekostet. Diese Kraft benötige ich aber für andere Dinge, das war mir irgendwann klar. Jetzt gehe ich offen damit um, bei anderen Erkrankungen wie Krebs haben die Betroffenen ja auch keine Scheu.

    Wie viel du sagen sollt? Ich sage inzwischen alles, ich finde, unsere Gesellschaft hat sich da auch gewandelt und ist inzwischen viel offener. Es ist ja kein Makel sondern eine Erkrankung.

    Hilft Dir das ein bissle?

    Liebe Grüße und genieße den Abend :)

  • Ahoi Carola,

    ja, den Satz von Charlie B. kannte ich bis vor Kurzem noch gar nicht. Als ich ihn dann hörte, blieb er sofort an mir kleben und ist seit dem mein Motto an all den Tagen, an denen man eben mal so hier und da an sich selbst und allem Drumherum zweifelt.

    Ich sage inzwischen alles

    Wow, das ist viel.
    Und ich frage da mal völlig naiv und offen: Keine Angst, als Jammersusi dazustehen?
    Ich bin da noch irgendwie zwiegespalten. Einerseits möchte ich kein Mitleid erzeugen. Ich hatte soooo viel Glück und sehe so viele Menschen, denen es doch viel viel schlechter geht - aus welchen Gründen auch immer.
    Andererseits merke ich halt, dass vieles auf längere Zeit eben nicht wieder so werden wird, wie es mal war. Da braucht es eben dann öfters mal Hilfe und ich lerne gerade umso mehr zu sagen, wenn ich etwas nicht mehr kann, oder mir eben nicht mehr zutraue.

    Ja das mit deiner Kraftaufwendung verstehe ich voll und ganz.
    Menschen, die mich schon kannten, fällt es eh auf. War ich vorher noch taff und bei vielen verrückten Sachen ganz vorne dabei, bin ich jetzt oftmals ängstlich, zurückhaltend, langsamer, bei allem übermäßig konzentriert und irgendwie viel ernster. Manchmal kommt es mir so vor, als sei ich schlagartig 30 Jahre gealtert. Doch dann denke ich mir "nee, so würde ich auch in 30 Jahren nicht sein wollen". ;)

    Ja, dass richtige Maß an Offenheit zu dem Thema werd ich wohl noch finden müssen.

    Charlie Brown: „Eines Tages werden wir sterben, Snoopy!"
    Snoopy: „Ja, aber an allen anderen Tagen werden wir leben!"

  • Na, Du musst ja nicht als Jammersusi dastehen. Jammern mag keine(r) gerne hören, aber für einen offen Umgang, bei dem Du um Verständnis bittest, denkt sich jeder: Wow, sie steht dazu! Bin echt keine Psychologin, aber ich denke, uns bleibt gar nichts anderes übrig. Wir wollen ja kein Mitleid, oder?

  • Hallo liebe Majka,

    ich denke wie viel jeder sagen möchte ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Da ich aus dem medizinischen Bereich komme, habe ich vielen davon erzählt. Auch wie es mir wirklich geht. Tat mir auch total gut zur Verarbeitung. Ich finde es auch enorm wichtig Grenzen aufzuweisen, zum Eigenschutz.

    Mach es einfach nach deinem Gefühl abhängig. Es gibt kein richtig oder falsch! Es ist deine Geschichte.

    Liebe Grüße und alles Gute Antonia

  • Oh ja, das fällt mir auch schwer. War es vor dem Schlaganfall auch immer gewohnt, die "Starke" zu sein. Musste aber vorher auch nie an einer Krankheit leiden, aber auch bei Gefühlsthemen habe ich es verinnnerlicht immer gute Miene zu bösem Spiel zu machen.

    Ich frage mich inzwischen manchmal "Was bringt es, wenn ich es jetzt erzähle?" und "kann mein Gegenüber etwas mit der Information anfangen". Wenn mich jemand zum Beispiel auf einer Feier fragt, wie es mir geht, dann antworte ich meist kurz angebunden. Ich habe halt auch nicht Lust ständig mit allen Menschen über diese doofe Krankheit zu sprechen. In diesen Fällen "verstelle" ich mich schon.

    Familienmitgliedern und guten Freunden versuche ich nach und nach immer mehr zu erzählen, auch wenn es mir am Anfang schwer gefallen ist. Gerade über die ganzen seelischen Themen und was mich gefühlsmäßig belastet. Dass ich manchmal vor Verzweiflung einfach nur noch schreien möchte zum Beispiel. Aber versuche gleichzeitig sie nicht zu viel damit zu belasten. Mit manchen Familienmitgliedern und Freunden kann ich darüber auch besser sprechen als mit anderen. Bei einigen, die mir zwar nahestehen, aber die Frage "wie geht es dir" eher rhetorisch stellen, da versuche ich eher eine Kurzfassung zu finden. "Ach, das Leben ist nicht mehr so wie es war. Die Folgen machen mir zu schaffen, aber es geht schon." Sowas in die Richtung. Aber alles immer schönreden, davon will ich auch wegkommen. Das Leben ist halt einfach nicht so.

  • Hallo in die Runde,

    ich muss gestehen, dass ich den Schlaganfall als etwas positives verkaufe. Selbst in Vorstellungsgesprächen erzähle ich was war und was für eine Kampfsau ich bin.

    Freunden und Familie erzähle ich immer das alles Gut ist, damit sich die Sorgen in Grenzen halten.

    In meiner Beziehung (erst nach dem Schlaganfall kennengelernt) sage ich meistens die echte Gefühlswelt oder wie meine tagesform abhängigen Schmerzen sind. Wenn ich es mal vergesse, bekomme ich auch Ärger ;)

    Ich lebe und das ist auch gut so ^^

  • Hallo zusammen,

    ich hatte vor 2 Jahren einen Schlaganfall. Ich bin 52 Jahre alt und habe 2 erwachsene Töchter, ausserdem habe ich mich noch dazu im Januar von meiner Frau getrennt. Mittlerweile bin ich nach der 2. Reha unbefristet als erwerbsunfähig eingruppiert, beziehe praktisch Rente. Alle in meinem Dorf und mein Bekanntenkreis wissen, dass ich das "Ereignis" hatte und verrentet bin. Mein Dilemma ist, dass man es mir (Gott sei dank) nicht ansieht (habe u.a. organisch psychische Störung). Wenn ich darauf angesprochen werde, dass ich doch gut ausschaue und ich doch eigentlich keine Beeinschränkung habe, antworte ich meist: "wenns mir schlecht geht, siehst du mich ja nicht". Aber ich habe schon extrem zu kämpfen damit. Wenn die wüssten, dass ich oft zu Hause sitze und nur noch heulen könnte, nur blöd die Wand ansehe und oft total antriebslos und müde bin. Ich reisse mich dann schon einige Zeit zusammen (bei Partys, Treffen usw.). Um ehrlich zu sein, spiele ich denen allen was vor. Was soll ich erzählen? Ich mag nicht mit meinen Problemen "hausieren" gehen und bin es auch mittlerweile "Leid", jedem meine Geschichte zu erzählen.

    Der Spruch von der majka ist deshalb exzellent, ich werde ihn auf jeden Fall aufnehmen. Danke dafür, majka!

  • Guten Morgen,

    bin neu in diesem Forum, hatte im Dezember 2021 einen Schlaganfall.

    Mein rechtes Bein war gelähmt, ich hatte großes Glück das ich sofort ins Krankenhaus

    kam und jetzt keine sichtlichen Beschwerden mehr habe. Das rechte Bein fühlt sich nur

    noch pelzig an sonst ist alles in Ordnung. Mein Problem ist das ich ständig Angst habe einen

    neuen Schlaganfall zu bekommen. Wenn ich Morgens aufwache probiere ich erst ob meine Beine

    noch in Ordnung sind. Wollte zur Therapie, aber zur Zeit ist kein Platz frei. Das ist für mich eine große

    Belastung. Wem geht es ähnlich, würde mich auf Kontakte freuen. Werde im März 2023 75 Jahre alt, aber

    sonst noch sehr rüstg, Man soll sich ja eigentlich viel Bewegen, ich laufe täglich 1 Stunde und das ziemlich schnell.

    Sonst mache ich wenig, wollte mich jetzt für Krafttraining anmelden .

  • Servus Goldhorn,

    mir geht es ähnlich wie dir. Nach dem Aufwachen teste ich auch immer ob alles funktioniert. Ich glaube das ist normal. Ausdauersport ist bei mir leider nicht mehr möglich, wobei ich früher sehr viel gelaufen bin (Halbmarathons usw.). Geht halt leider nicht mehr. Ich habe mir ein E-MTB gekauft, macht richtig Spaß! Ansonsten gehe ich ins Fitnessstudio - mache hier Zirkeltraining. Ich bin da aufgrund der ersten Reha auf den "Geschmack" gekommen. Mir gehts nach dem Training richtig gut. Und zudem lernt man viele Menschen kennen. Melde dich an.....kann ich nur Empfehlen!

  • Das ist wirklich ein schweres Thema.

    Ich bin immer offen damit umgegangen.

    Mein schlaganfall ist 14 Monate her. Ich bin seitdem krank geschrieben.

    Seit August versuche ich wiedereingliederung, aber es ist schwierig bei mir mit der Konzentration und mit Lesen und schauen am PC, leider macht das meinen Beruf aus.

    Es ist ein Problem, das man mir nichts ansieht. Kollegen und vorgesetzte können trotz meiner Schilderungen nichts mit den neuropsychologischen Problemen anfangen.

    Mittlerweile denke ich mir, ich wäre besser nicht damit so offen gewesen.

    Krankheit ist ja privat Sache zum Glück.

    Auch von "Freunden " kommen schon mal doofe Bemerkungen. Neulich meinte jemand, ich könnte ja wieder Fahrrad fahren , dann könnte ich ja auch wieder arbeiten...

    Ich werde mich in Zukunft damit mehr zurück halten.

    Katja

  • Hallo,

    ich kann es auch nur aus Sicht der Ehefrau sagen. Wir gehen auch nach fast 2 Jahren nach dem SA ganz offen damit um. Familie, Freunde, Kollegen und auch die Nachbarn fragen ständig und/ machen kurze Besuche. Wir versuchen, alle Frage zu beantworten. Noch nie hat sich jemand in unserer Gegenwart doof verhalten oder eine schlechte Bemerkung gemacht.

    Wir werden das genau so weitermachen.

    Sabine

  • Hallo,

    ich habe im Januar den 2. Schlaganfall bekommen mit halbseitiger Lähmung. Mit dem Problem gehe ich sehr offen um weshalb auch nicht.

    Joachim

  • Ich hatte den Schlaganfall vor 9 Jahren, bin dann auch arbeitsunfähig geworden. Damit kann und muss ich mit leben. Ich gehe mit dieser Sache offen an, ich habe Aphasie, mit dem sprechen klappt es soweit gut, mit dem Schreiben ist es anstrengend. Ich würde dir empfehlen , bleib bei dir und sehe wieder was den Körper und den Kopf sagt. Herzliche Grüße Eddy :)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!